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Erfahrungsbericht 1

Einleitung:

19.09.04: Ich habe zwei Mädchen. Das jüngere ist ein Schreibaby. Ich fühle mich erschöpft und ausgesogen. Keine Energie mehr. Wie soll es weitergehen? Keine Ahnung.

Einen Tag nach dem anderen. Irgendwann ist es hoffentlich vorbei. Heute ist mein Mann zu Hause.

Er ist auch erschöpft und frustriert. Wir müssen ständig aufpassen, dass wir durch unsere Atemlosigkeit und Gereiztheit nicht aneinander geraten: "... muss das denn auch noch sein...“

 

01.10.04 mittags: Sie schreit und schreit, sie schreit im Liegen, sie schreit im Tuch, sie schreit auf meinem Arm, sie schreit, wenn ich ihr die Brust geben will. Jetzt liegt sie vor mir und schreit und ich denke: "Ich kann Dir nichthelfen. Bin ich eine schlechte Mutter?“

 

01.10.04 abends: Ich sehe kaum aus den Augen. Sie sind verweint. Ich bin hilflos, traurig, mutlos,hoffnungslos, resigniert, energielos, leer. Wann hört das alles auf? Ich bin müde.

(Auszüge aus dem „Tagebuch eines Schreibabys“ im Internet-Forum der Zeitschrift wir Eltern.)

 

Diese Auszüge könnten auch von mir sein.

C., unser drittes Kind, geboren im November 2004, war ein Schreibaby. 

Die erste Zeit und Erkenntnis „ich habe ein Schreibaby“: 

Schon im Spital ist es mir aufgefallen, dass sie viel weinte Ich habe mir jedoch noch keine Gedanken darüber gemacht.

 

Kaum aus dem Spital entlassen, ist unser Alltag total anders geworden. C. weinte ununterbrochen und wollte immer getragen werden. Am liebsten in der Fliegerposition.

Ich hatte ja noch zwei andere kleine Kinder zu versorgen.

Tag und Nacht war ich nur noch für C. da.

 

Über die Festtage 2004/2005 war dann der Höhepunkt, als C. ununterbrochen, also fast 24 Stunden weinte, ja sogar schrie.

 

Der Notfallarzt im Kinderspital diagnostizierte 3-Monats-Koliken, was schon die Kinderärztin gesagt hatte. Wir haben uns mit diesem Befund abgefunden und hofften auf bessere Zeiten. Ich war sehr froh, dass mein Mann in dieser Zeit Ferien hatte und mich unterstützen konnte. Wir haben uns immer wieder abgewechselt mit der Betreuung von C. und waren schon öfters an der Grenze unserer Kräfte.

Ungefähr im März 2005 bekam ich einen Tipp von einer Kollegin bezüglich eines Osteopathen.

 

C. war mittlerweile schon über drei Monate alt, aber die Situation hatte sich leider nicht gebessert. Deshalb war ich um jeden Tipp froh.

Der Osteopath konnte die Schreiattacken von C. für eine Weile mindern, aber es wurde anschliessend wieder wie vorher. So habe ich die Therapieabgebrochen.

C. war schon zu „alt“ für diese Therapie (meine Meinung). Vielleicht könnte sie einem Neugeborenen mehr helfen.

Im April 2005 erlitt ich eine Erschöpfungsdepression und benötigte deswegen einen zweiwöchigen Spitalaufenthalt. Meine Ärztin fand ein Spital, wo es eine Mutter-Kind-Abteilung gab (es ist für Mütter, die in einer ähnlichen Situation wie ich war, gedacht). So war ich sehr froh um diese Lösung, da ich C. bei mir haben wollte.

 

Im Spital bekam C. eine gründliche Untersuchung. Man vermutete, dass sie eventuell unter Reflux leidet, deswegen bekam sie „Antramups“. Siehe da, es

ging ihr von Tag zu Tag besser. Die Schreiattacken wurden seltener. Ich konnte viel schlafen und habe eine Therapie gemacht.

Ich hatte eine superliebe Therapeutin, die sich sehr gut mit dem Thema „Schreibaby“ auskennt, denn sie war selber auch betroffen. In dieser Zeit habe ich mich im Internet über das Thema Schreibaby schlau gemacht und habe dann diese wertvolle Internetseite gefunden: www.schreibabyhilfe.ch

 

Was hat mir geholfen?

Nach dem Spitalaustritt habe ich Hilfe benötigt und meldete mich beim Verein Schreibabyhilfe für eine Entlastung durch eine freiwillige Helferin. In dieser Zeit war es noch schwierig, eine freiwillige Helferin zu bekommen, da der Verein erst im Januar 2005 gegründet worden, und also noch relativ neu war. Aber sie haben sich sehr bemüht, eine geeignete Helferin für mich zu finden.

 

Nach einiger Zeit benötigte ich keine Hilfe mehr, ich konnte nun besser mit der Situation umgehen und C. hatte sich beruhigt.

 

Heute, wenn ich zurückdenke, würde ich vieles anders machen. Zum Beispiel auf eine gründliche Untersuchung beharren oder viel früher den Osteopathen aufsuchen.

 

Jetzt geniessen wir das Familienleben mit C. und sind stolz auf uns, dass wir diese schwierige Zeit ohne Hilfe bewältigen konnten. Es hat uns noch enger zusammengeschweisst. Ich bin gehörlos, trug aber ein Hörgerät, sodass ich akustisch nicht ganz von der Aussenwelt abgeschnitten war. Manche Leute haben zu mir gesagt, du könntest doch einfach deinen Apparat abstellen, dann würde dich das Schreien nicht so stressen.

 

Das hätte geheissen, mein Kind im Stich zu lassen. Eine unerträgliche Vorstellung für mich.

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